Mein Wannenbad

Es muss wieder mal sein. Also: Ich steige hinein In zirka zwei Kubikmeter See. Bis übern Bauch tut es weh.

Das Hähnchen plätschert in schamlosem Ton, Ich atme und schnupfe den Fichtenozon, Beobachte, wie die Strömung läuft, Wie dann clam, langsam mein Schwamm sich besäuft. Und ich ersäufe, um allen Dürsten Gerecht zu werden, verschiedene Bürsten.

Ich seife, schrubbe, ich spüle froh. Ich suche auf Ausguck Vergebens nach einem ertrinkenden Floh, Doch fort ist der Hausjuck.

Ich lehne mich weit und tief zurück, Genieße schaukelndes Möwenglück. Da taucht aus der blinkenden Fläche, wie Eine Robinsoninsel, plötzlich ein Knie; Dann – massig – mein Bauch – eines Walfisches Speck. Und nun auf Wellen (nach meinem Belieben Herangezogen, davongetrieben), Als Wogenschaum spielt mein eigenster Dreck Und da auf dem Gipfel neptunischer Lust, Klebt sich der Waschlappen mir an die Brust.

Brust, Wanne und Wände möchten zerspringen, Denn ich beginne nun, dröhnend zu singen Die allerschwersten Opernkaliber. Das Thermometer steigt über Fieber, Das Feuer braust, und der Ofen glüht, Aber ich bin schon so abgebrüht, Dass mich gelegentlich Explosionen – – Wenn's an mir vorbeigeht – – Erfreun, weil manchmal dabei was entzwei geht, Was Leute betrifft, die unter mir wohnen.

Ich lasse an verschiedenen Stellen Nach meinem Wunsch flinke Bläschen entquellen, Erhebe mich mannhaft ins Duschengebraus. Ich bück mich. Der Stöpsel rülpst sich hinaus, Und während die Fluten sich gurgelnd verschlürfen, Spannt mich das Bewusstsein wie himmlischer Zauber, Mich überall heute zeigen zu dürfen, Denn ich bin sauber. –

Die Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose Die hatte Friedrich der Große sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz. Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen. Der hatte Nußbaum gerochen Die Dose erzählte ihm lang und breit. Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

Sie nannte den alten Fritz generös. Da aber wurde der Holzwurm nervös Und sagte, indem er zu bohren begann "Was geht mich Friedrich der Große an!"

Die Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel-Daddeldu

Die Springburn hatte festgemacht Am Petersenkai. Kuttel Daddeldu jumpte an Land, Durch den Freihafen und die stille heilige Nacht Und an dem Zollwächter vorbei. Er schwenkte einen Bananensack in der Hand. Damit wollte er dem Zollmann den Schädel spalten, Wenn er es wagte, ihn anzuhalten. Da flohen die zwei voreinander mit drohenden Reden. Aber auf einmal trafen sich wieder beide im König von Schweden.

Daddeldus Braut liebte die Männer vom Meere, Denn sie stammte aus Bayern. Und jetzt war sie bei einer Abortfrau in der Lehre, Und bei ihr wollte Kuttel Daddeldu Weihnachten feiern.

Im König von Schweden war Kuttel bekannt als Krakehler. Deswegen begrüßte der Wirt ihn freundlich: » Hallo old sailer!« Daddeldu liebte solch freie, herzhafte Reden, Deswegen beschenkte er gleich den König von Schweden. Er schenkte ihm Feigen und sechs Stück Kolibri Und sagte: »Da nimm, du Affe!« Daddeldu sagte nie »Sie«. Er hatte auch Wanzen und eine Masse Chinesischer Tassen für seine Braut mitgebracht.

Aber nun sangen die Gäste »Stille Nacht, Heilige Nacht«, Und da schenkte er jedem Gast eine Tasse Und behielt für die Braut nur noch drei. Aber als er sich später mal darauf setzte, Gingen auch diese versehentlich noch entzwei, Ohne daß sich Daddeldu selber verletzte.

Und ein Mädchen nannte ihn Trunkenbold Und schrie: er habe sie an die Beine geneckt. Aber Daddeldu zahlte alles in englischen Pfund in Gold. Und das Mädchen steckte ihm Christbaumkonfekt Still in die Taschen und lächelte hold Und goß noch Genever zu dem Gilka mit Rum in den Sekt. Daddeldu dacht an die wartende Braut. Aber es hatte nicht sein gesollt, Denn nun sangen sie wieder so schön und so laut. Und Daddeldu hatte die Wanzen noch nicht verzollt, Deshalb zahlte er alles in englischen Pfund in Gold.

Und das war alles wie Traum. Plötzlich brannte der Weihnachtsbaum. Plötzlich brannte das Sofa und die Tapete, Kam eine Marmorplatte geschwirrt, Rannte der große Spiegel gegen den kleinen Wirt. Und die See ging hoch und der Wind wehte.

Daddeldu wankte mit einer blutigen Nase (Nicht mit seiner eigenen) hinaus auf die Straße. Und eine höhnische Stimme hinter ihm schrie: »Sie Daddel Sie!« Und links und rechts schwirrten die Kolibri.

Die Weihnachtskerzen im Pavillon an der Mattentwiete erloschen. Die alte Abortfrau begab sich zur Ruh. Draußen stand Daddeldu Und suchte für alle Fälle nach einem Groschen. Da trat aus der Tür seine Braut Und weinte laut: Warum er so spät aus Honolulu käme? Ob er sich gar nicht mehr schäme? Und klappte die Tür wieder zu. An der Tür stand: »Für Damen«.

Es dämmerte langsam. Die ersten Kunden kamen, Und stolperten über den schlafenden Daddeldu.

Als ich noch ein Seepferdchen war

Als ich noch ein Seepferdchen war, Im vorigen Leben, Wie war das wonnig, wunderbar Unter Wasser zu schweben. In den Träumenden Fluten Wogte, wie Güte, das Haar Der zierlichsten aller Seestuten, Die meine Geliebte war. Wir senkten uns still oder stiegen, Tanzten harmonisch umeinand, Ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand, Wie Wolken sich in Wolken wiegen. Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn, Auf daß ich ihr folge, sie hasche, Und legte mir einmal beim Ansichziehn Eierchen in die Tasche.

Sie blickte traurig und stellte sich froh, Schnappte nach einem Wasserfloh, Und ringelte sich An einem Stengelchen fest und sprach so: Ich liebe dich! Du wieherst nicht, du äpfelst nicht, Du trägst ein farbloses Panzerkleid Und hast ein bekümmertes altes Gesicht, Als wüßtest du um kommendes Leid. Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnaß! Wann war wohl das? Und wer bedauert wohl später meine restlichen Knochen? Es ist beinahe so, daß ich weine - Lollo hat das vertrocknete, kleine Schmerzverkrümmte Seepferd zerbrochen.

Das Kartenspiel

Vier Männer zogen sich zurück, Schlossen sich ein, und drei Von ihnen versuchten ihr Glück, Spielten Karten. Draußen im Garten Blühte der Mai. Im schwülen Zimmer saßen die Männer bei ihren Karten. Ihre Weiber ließen sie Draußen weinen und warten.

Und spielten Spiel um Spiel zu dritt, Und jeder schwitzte. Der vierte Mann sah zu, kibit – Kibitzte.

Geld hin – Geld her – Geld her – Geld hin – Verlust – Gewinn – Nach Kartengemisch. Es wurde gebucht, Gereizt und geflucht. Man schlug auf den Tisch. Man witzelte seicht. Hätte Pikdame statt Karozehn Den Buben genommen, Dann wäre vielleicht Alles anders gekommen.

Und noch einmal und noch und noch, Verbissen und besessen. – Ein Lüftchen kam durchs Schlüsselloch, Roch nach verbranntem Essen.

Der König fiel. Das letzte Spiel, Das allerletzte Spiel begann. Und wieder stach die Karozehn. Der vierte Mann, Der nichts getan als zugesehn, Gewann.

Vier gähnende Männer gingen Hinaus ins Morgengraun. Draußen hingen Am Gartenzaun Vier vertrocknete Fraun.

Ferngruß von Bett

Wie ich bei dir gelegen Habe im Bett, weißt du es noch? Weißt du noch, wie verwegen Die Lust uns stand? Und wie es roch?

Und all die seidenen Kissen Gehörten deinem Mann. Doch uns schlug kein Gewissen. Gott weiß, wie redlich untreu Man sein kann.

Weißt du noch, wie wir's trieben, Was nie geschildert werden darf? Heiß, frei, besoffen, fromm und scharf. Weißt du, daß wir uns liebten? Und noch lieben?

Man liebt nicht oft in solcher Weise. Wie fühlvoll hat dein spitzer Hund bewacht. Ja unser Glück war ganz und rasch und leise. Nun bist du fern. Gute Nacht.

Ich habe dich so lieb

Ich habe dich so lieb! Ich würde dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen Schenken.

Ich habe dir nichts getan. Nun ist mir traurig zu Mut. An den Hängen der Eisenbahn Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei – verjährt – Doch nimmer vergessen. Ich reise. Alles, was lange währt, Ist leise.

Die Zeit entstellt Alle Lebewesen. Ein Hund bellt. Er kann nicht lesen. Er kann nicht schreiben. Wir können nicht bleiben.

Ich lache. Die Löcher sind die Hauptsache An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

Kindergebetchen

Erstes

Lieber Gott, ich liege Im Bett. Ich weiß, ich wiege Seit gestern fünfunddreißig Pfund. Halte Pa und Ma gesund. Ich bin ein armes Zwiebelchen, Nimm mir das nicht übelchen.

Zweites

Lieber Gott, recht gute Nacht. Ich hab noch schnell Pipi gemacht, Damit ich von dir träume. Ich stelle mir den Himmel vor Wie hinterm Brandenburger Tor Die Lindenbäume. Nimm meine Worte freundlich hin, Weil ich schon sehr erwachsen bin.

Drittes

Lieber Gott mit Christussohn, Ach schenk mir doch ein Grammophon. Ich bin ein ungezognes Kind, Weil meine Eltern Säufer sind. Verzeih mir, dass ich gähne. Beschütze mich in aller Not, Mach meine Eltern noch nicht tot Und schenk der Oma Zähne.

Nie bist du ohne Nebendir

Eine Wiese singt. Dein Ohr klingt. Eine Telefonstange rauscht.

Ob du im Bettchen liegst Oder über Frankfurt fliegst, Du bist überall gesehn und belauscht.

Gonokokken kieken. Kleine Morcheln horcheln. Poren sind nur Ohren. Alle Bläschen blicken.

Was du verschweigst, Was du andern nicht zeigst, Was dein Mund spricht Und deine Hand tut, Es kommt alles ans Licht. Sei ohnedies gut.

Die Ameisen

In Hamburg lebten zwei Ameisen, Die wollten nach Australien reisen. Bei Altona auf der Chaussee, Da taten ihnen die Beine weh, Und da verzichteten sie weise Dann auf den letzten Teil der Reise.

So will man oft und kann doch nicht Und leistet dann recht gern Verzicht.

Morgenwonne

Ich bin so knallvergnügt erwacht. Ich klatsche meine Hüften. Das Wasser lockt. Die Seife lacht. Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks Und gratuliert mir zum Baden. Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs Betiteln mich „Euer Gnaden“.

Aus meiner tiefsten Seele zieht Mit Nasenflügelbeben Ein ungeheurer Appetit Nach Frühstück und nach Leben.

Joachim Ringelnatz

  • Дата рождения: 7 авг 1883
  • Дата смерти: 17 ноя 1934 (51 год)
  • Произведений в базе: 12

Joachim Ringelnatz war ein bekannter deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler. Er wurde vor allem durch seine humorvollen und oft skurrilen Gedichte bekannt. Ringelnatz' Dichtkunst zeichnet sich durch Wortwitz, originelle Einfälle und einen melancholischen Unterton aus. Er war ein bedeutender Vertreter des literarischen Kabaretts in der Weimarer Republik und trat häufig in Berliner Kabaretts auf. Sein Werk spiegelt die gesellschaftlichen Umbrüche und die Lebensfreude, aber auch die Schwierigkeiten seiner Zeit wider.